10. Probleme bei der Realisierung

10.1. Zertifizierung

Krankenversicherungen fordern vom Arzt eine korrekte Übertragung von Daten gemäß den Gesetzten des jeweiligen Landes. Falls fehlerhafte Daten übermittelt werden, wird zunächst der Arzt dafür haftbar gemacht. Daher ist eine genaue Abrechnung ein entscheidende Anforderung an ein Praxismanagementsystem. Nur Software, die hinsichtlich dieses Kriteriums zertifiziert ist, kann am Markt bestehen. Das gilt sowohl für Freie als auch proprietäre Software. Nach Aussage des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ist eine Zertifizierung von Freier Software durch die KBV nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es gibt bereits einen Präzedenzfall für eine technische Lösung dieses Problems: ISDN-Karten dürfen nur mit Zertifizierung durch das Bundesamt für Zulassungen in der Telefonkommunikation (BZT) betrieben werden. Eine Kartenzulassung erfolgt jedoch nur im Verbund mit der mitgelieferten Software, das heißt, die Kernel-internen Treiber müssen auch zertifiziert werden. Technisch ist das derart realisiert, daß der Quellcode durch eine Prüfsumme geschützt wird. Anhand dieser Prüfsumme kann getestet werden, ob der Code unverändert ist und damit mit dem zertifizierten Code übereinstimmt.

10.2. Änderung gesetzlicher Vorgaben

In der Praxis kommt es nicht selten vor, daß gesetzliche Vorgaben an Praxisverwaltungsprogramme geändert werden, die eine sehr kurzfristige Anpassung der Software erfordern. Die Ärzte sind zwingend auf eine rechtzeitige Aktualisierung der Software angewiesen. Es bestehen oft Zweifel, ob Freie Software dieser Anforderung genügen kann, denn es besteht in der Regel die Ansicht, daß Freie Software vor allem durch nicht ernst zu nehmende Besessene entwickelt wird, die fern ab vom Tageslicht auf ihrer Tastatur herumhacken. Doch dieses Vorurteil ist so nicht mehr haltbar.

Im echten Betrieb eingesetzte Praxisverwaltungssoftware erfordert definitiv eine kommerziellen Dienstleistung. Die Nutzer müssen die Ansicht korrigieren, daß Freie Software wie Freibier funktioniert, daß man so wie es spendiert wird konsumieren kann. Die Tatsache, daß der Quellcode kostenlos zur Verfügung steht und der Anwender die Möglichkeit hat, diesen frei zu verwenden, impliziert nicht, daß der Entwickler der Software damit auch die Pflicht hat, dem Anwender bei allen seinen Problemen zu helfen. Für diese Hilfe müssen kommerzielle Dienstleister bereitstehen, die für ihre Leistung bezahlt werden müssen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Freie Software in keiner Weise von proprietärer, denn in jedem Fall muß für die Dienstleistung ein erheblicher Betrag bezahlt werden. Bei Freier Software entfallen lediglich die Anschaffungskosten für eine Lizenz. Darüber hinaus sind Analysten der Ansicht, daß die freie Verfügbarkeit des Quellcodes den Dienstleistern die Arbeit erleichtert, Zukunftssicherheit durch Unabhängigkeit vom Hersteller bietet und daher auf lange Sicht gesehen billiger ist als proprietäre Software. An diesem Beispiel soll generell klar gemacht werden, daß Freie Software nicht mit einer kostenlosen Nutzung gleichzusetzen ist. Natürlich können in größeren Institutionen wie Krankenhäuser auch Spezialisten eingestellt werden, die einen externen Dienstleister ersetzen, doch auch diese eigenen Spezialisten müssen bezahlt werden.

Die kommerzielle Dienstleistung erfordert das Spezialwissen von Medizin-Informatikern, die sowohl Kenntnisse in der Softwareentwicklung als auch in der Medizin besitzen. Ein Geschäftsmodell auf der Basis von Freier Software läßt sich für diese Spezialisten folgendermaßen skizzieren: